SNB senkt Leitzins erneut
Die Schweizerische Nationalbank hat den Leitzins im Juni erneut auf nun 1,25 Prozent gesenkt, was den Franken kurzfristig schwächen dürfte. Mittel- und längerfristig sprechen politische Unsicherheiten und die zu erwartenden Zinssenkungen in den USA für einen stärkeren Franken. An den Rohstoffmärkten sehen wir weiteres Aufwärtspotenzial bei Gold, Silber, Rohöl und Kupfer.
Die Würfel sind gefallen. Nachdem die Schweizerische Nationalbank (SNB) bereits im März ein erstes Mal an der Zinsschraube gedreht hat, senkt sie ihren Leitzins nun im Juni ein weiteres Mal um 25 Basispunkte auf 1,25 Prozent. Die Marktbeobachterinnen und -beobachter waren über die vergangenen Wochen gespalten bezüglich ihrer Einschätzung, ob im Juni eine Zinssenkung kommen würde oder nicht. Noch im März lag die Teuerungsrate in der Schweiz bei beruhigenden 1,0 Prozent und stieg dann bis im Mai etwas unerwartet wieder auf 1,4 Prozent an.
In der Eurozone hat die Europäische Zentralbank (EZB) anfangs Juni ihrerseits den Einlagensatz ein erstes Mal von 4,0 auf 3,75 Prozent gesenkt. Doch die Euro-Währungshüter machten dabei deutlich, dass weitere Zinssenkungen keinesfalls garantiert und vom weiteren Datenverlauf abhängig seien. Ebenso hat uns jüngst die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) überrascht. Weniger damit, dass sie an ihrer jüngsten Sitzung von vorletzter Woche den Leitzins unverändert beliess, sondern damit, dass die Mitglieder des Offenmarktausschusses mit ihrem sogenannten «Dot Plot» signalisierten, die Fed Funds Rate in diesem Jahr nur ein einziges Mal senken zu wollen. Angesichts des klar verlangsamten Tempos im Zinssenkungszyklus der für die SNB wichtigsten ausländischen Zentralbanken bereitet es schon ein wenig Erstaunen, dass die SNB ihre eingeschlagene Kadenz von Zinssenkungen durchziehen will.
Der SNB-Zinsentscheid wird nun voraussichtlich auch an den Währungsmärkten für Bewegung sorgen. Nachdem der Franken in den vergangenen Wochen eher wieder etwas zugelegt hatte, dürfte er kurzfristig etwas Schwäche zeigen. Solche Schwächephasen können Anleger durchaus nutzen, um ihre US-Dollar-Engagements abzusichern. Mittel- und längerfristig hängt der USDCHF-Trend wohl davon ab, wann und wie aggressiv die Fed ihren Leitzins nach unten bewegen wird und wie viel Unsicherheiten die Wahlen in den USA bringen werden. Ähnliches gilt in EURCHF für die EZB und die anstehenden Wahlen in Europa. Insgesamt sehen wir daher den Franken ins nächste Jahr hinein mit einer anhaltenden Aufwertungstendenz.
In unserem Basisszenario erwarten wir, dass der Zinssenkungszyklus der grossen Zentralbanken im Jahresverlauf behutsam weitergeführt wird. Daher sollten sich Anleger Gedanken darüber machen, wie sie ihre künftig immer weniger Zins abwerfenden, überschüssigen Barbestände anlegen wollen. Neben den klassischen Aktien- oder Anleihensegmenten sehen wir auch interessante Anlagechancen in einer breiten Palette von Rohstoffen. Wir rechnen damit, dass der Preis für ein Barrel Brent-Rohöl angesichts der soliden Nachfrage und der Bemühungen der Opec+, den Markt ins Gleichgewicht zu bringen, bis Ende Jahr auf etwa 87 US-Dollar ansteigen wird (von knapp 84 US-Dollar zum Zeitpunkt des Schreibens). Risikotolerante Anleger sollten in Erwägung ziehen, die Abwärtsrisiken von Brent zu verkaufen, um Erträge zu generieren.
Für Kupfer erwarten wir, dass der Markt aus fundamentaler Sicht in einem Defizit bleibt und prognostizieren, dass das Metall bis zum Jahresende 11 500 US-Dollar pro metrischer Tonne erreichen wird (von knapp 9500 US-Dollar pro metrischer Tonne aktuell).
Ausserdem sehen wir Aufwärtspotenzial für Gold und Silber. In unserem Basisszenario prognostizieren wir, dass der Goldpreis bis zum Jahresende auf 2600 US-Dollar und bis Mitte 2025 auf 2700 US-Dollar pro Feinunze steigen wird. In den letzten Jahren haben die Goldkäufe der Schwellenländer-Zentralbanken zugenommen, unter anderem aufgrund von Befürchtungen über die Risiken möglicher US-Sanktionen auf US-Dollar-Reserven. Zudem sehen wir das gelbe Metall im Vorfeld der US-Wahlen als eine effektive Absicherung gegen verstärkte Ängste vor geopolitischer Polarisierung, dem US-Defizit und/oder höherer Inflation.
Wir erwarten auch, dass der Silberpreis bis Mitte 2025 auf 38 US-Dollar pro Unze steigen wird, wobei die industrielle Nachfrage von einer höheren Nutzung in erneuerbaren Energien und in der Elektronik profitieren dürfte.
Daniel Kalt, Head Chief Investment Office Switzerland, UBS Switzerland AG